Tribe-Notes 08/23 – Einsiedlerkrebse, Barbie & der August
Man hat immer die Wahl. Man kann alles so machen wie immer. Oder eben ganz anders. Eigentlich waren Barbie & die Krebse auf den Malediven schuld, dass der August einen anderen Lauf nahm als gedacht.
TRIBE-Notes #20 | August 2023
Hab ich eigentlich je von den Erlebnissen meiner Malediven-Pressereise erzählt? Es gäbe da eigentlich gleich mehrere Geschichten...
…über das (unnötige) Schaumbad mit Rosenblättern unter dem Sternenhimmel.
…über den Umzug vom 5-Sterne- ins 4-Sterne-Resort – und was das mit meinem gemeinen Ego gemacht hat.
…über die Liegestühle, die ich tagelang verteidigt und erst am letzten Tag gemerkt habe, dass es gar nicht meine waren.
…und über den lautstarken Streit eines Pärchens aus Wien, das mich lehrte, dass kein Problem zu groß fürs Handgepäck ist.
Aber das würde jetzt alles zu weit führen. Deshalb komme ich gleich zum Punkt – und dem Grund für die Sonnenuntergangsbilder dieser Tribe-Notes langsam etwas näher:
Es gab auf den Malediven diese, eigentlich ganz unscheinbaren Hermit Crabs, die den ganzen Tag ohne Hast und ohne Eile auf dem Strand hin- und herliefen. Sich zwischendurch in ihr Schneckenhaus zurückzogen, solange sie eben Lust dazu hatten, oder unter sattgrünen Blättern bis zum Sonnenuntergang Siesta machten.
Ich habe das Geschehen eines nachmittags irgendwann zwischen Schnorchel-Programm und Gourmet-Dinner ziemlich genau beobachtet. Die Zeit verloren und sonst NICHTS getan.
Und ich gehöre zu den Menschen, die IMMER IRGENDETWAS tun.
Es war also eine etwas seltsame und völlig neue Erfahrung, die aber auch ganz gut zu so einer Malediven-Reise passte.
Das alles ist schon einige Zeit her. Dann kam die Pandemie und nach meiner letzten Fernreise nach Mauritius – um auf einem Wellness-Festival eines Resorts Yoga zu unterrichten – verlor das Reisen in die ganz weite Ferne für mich vorerst seinen Reiz.
Doch das Leben der Einsiedlerkrebse ist mir immer in Erinnerung geblieben. Und es gibt dieses YouTube-Video vom Haustausch kleiner und großer Krebse, das man unbedingt gesehen haben sollte. Wegen der Krebse. Und wegen Sir David Attenborough, der das Video auf seine unnachahmliche Art kommentiert.
So und nun wirklich zum Punkt:
Es ist August! Also mein liebster Monat, weil Löwe und Geburtstag und so.
Wenn du die Tribe-Notes schon länger abonniert hast, weißt du, dass ich normalerweise laut hinausbrülle, was ich nicht alles tue, mache und wohin ich reise – meistens war es der Gardasee, Sardinien und zuletzt auch Korsika. Jedenfalls tauche ich am liebsten einen ganzen Monat lang ungebändigt in mein ganz persönliches Leo-Summer-Feeling – und jeder muss davon erfahren!
Nun, auch das Jahr 2023 hat einen August.
Und natürlich verbringe ich diesen Monat nicht wie ein Einsiedlerkrebs (obwohl Krebs tatsächlich meine Aszendent ist ;)
Mal abgesehen von meinen raren Ausflügen zum See (genau, deshalb die Sunset-Bilder!), geht es rechtzeitig zu meinem Geburtstag nach Griechenland. Nach Athen und auf ein hübsches Inselchen, von dem ich dir mehr erzählen werde, wenn ich wieder zurück bin.
Es war mir jedenfalls wichtig, 2023 einen neuen Ort für mein Löwenfest zu finden.
Damit die alten Rituale mit einem verlorenen Menschen weniger schwer wiegen. Und damit neue Erinnerungen, die alten nach und nach sanft beiseiteschieben können.
Der August, dieser verquere Sommer 2023, hat dieses Mal eine andere Note.
Ich tue mir schwer, dieses Gefühl, das ich habe, mit Worten zu beschreiben. Und vielleicht liegt es auch gar nicht an mir, sondern am Kosmos und an der rückläufigen Venus, wer weiß.
Vielleicht liegt es auch daran, dass es (zumindest in Salzburg) 2 Wochen lang am Stück bei 15 Grad geregnet hat.
Beste November-Stimmung im August.
Und jetzt kommt’s: Es hat mir nichts ausgemacht!
Ja. Ist das zu glauben? Es war der Löwin in mir völlig egal! Denn die hatte ohnehin beschlossen, mehr nach innen zu gehen.
Vom Tun mehr ins Sein zu kommen. Weil dieser Shift sowieso längst fällig war.
Es hat damit angefangen, dass ich den Impuls verspürte, meine Routinen zu verändern.
Meinen Alltag anders zu gestalten.
Irgendwie eine Pause von allem zu machen.
Mich von vergangenen Mustern zu lösen.
Früher schlafengehen. Früher aufstehen. Warum eigentlich nicht.
Und wenn ich schon früher aufstehe, dann kann ich auch gleich das morgendliche Instagram-Scrollen streichen. Genau, das wär’s!
Und ich könnte den Schieber für den Flugmodus einfach unbewegt lassen.
Völlig leicht und frei in den Tag starten. Offen und neugierig sein für das, was kommt.
Ich weiß, an dieser Stelle könnte der berechtigte Einwand kommen, dass das ja alles schön und gut ist, wenn da nicht Kinder, ein Partner oder sonstige Vergnügungen und Verpflichtungen wären.
Dazu muss ich vielleicht sagen: Ich habe das Leben von Barbie. Nur weniger Pink. Und weniger Ken.
Ich habe mir das teilweise so ausgesucht, teilweise auch nicht. Jedenfalls kann ich die meisten Tage frei gestalten, ganz so wie ich es will. Manchmal bedeutet das aber auch, kurz vor Mitternacht das aufzuholen, was man vormittags hat schleifen lassen. Weniger Pink heißt nämlich auch: Ich hab ein echtes Leben, in dem ich – vorwiegend mit dem Schreiben von schönen Texten – Geld verdiene, um meine Rechnungen zu bezahlen.
Mein Experiment ist noch in vollem Gange, aber ich kann jetzt schon sagen: Ja, es hat was, früh aufzustehen. Vor allem, wenn man selbstbestimmt darüber entscheiden kann, was danach kommt.
Zum Beispiel: Zitronenwasser. Workout. EFT. Breathwork. Manchmal auch ein paar duftende Espressi und dazu bergeweise Brioche.
Weil die ganze Idee ja nicht in Selbstoptimierung ausarten soll. (Wir erinnern uns an die strikte Leberkur im Februar 2021? Never ever again!)
Und dann drängte sich dieses Buch auf. Weil ein ziemlich langes und ziemlich wichtiges Kapitel meiner Lebensgeschichte aufgeschrieben werden will. Damit der immer noch traurige Teil in mir heilen kann.
Man stelle sich also vor: Ein verregneter August-Morgen nach dem anderen. Allein mit mir. Stille. Nur das Geräusch der Tasten. Ein Sog, ein Rausch, ein Flow. Was immer es ist, es lässt mir keine Wahl und ich muss ihm folgen.
Honor the space between no longer and not yet. – Nancy Levin
Dazwischen auch noch mindestens 5 Bücher gleichzeitig lesen, damit ich mich selbst besser verstehe.
„The Creative Act“ von Rick Ruben.
“This Is How You Heal” von Brianna Wiest.
“The Artist’s Way” von Julia Cameron.
“The Woman’s Way” von Michaela Böhm.
Französische Filme schauen, weil ich Inspiration für die schwierige Sache mit den Rückblicken brauche. Wie oft kann man “Mein Ein, mein Alles” eigentlich schauen? Und bin ich die einzige, die in der morbiden Langatmigkeit von “By the Sea” Sinn findet?
Vielleicht liegt es am verzweifelten Brad Pitt. Oder an der wie immer großartigen Mélanie Laurent. Egal. Am Ende hat Brad sein Buch jedenfalls fertiggeschrieben.
Noch mehr Regen. Warum also nicht auch gleich die Wohnung putzen.
Die Balkone, die Fenster, die Böden. Regale, Spiegel, Waschbecken und Möbel. Frühjahrsputz im August. Öfter mal was Neues.
Danach war das kleine Macbook dran. Und dann das große.
Ich hatte ja keine Ahnung, wie befreiend es sein kann, 8.000 E-Mails zu löschen.
Wie konnte es überhaupt soweit kommen?
Und dann die 10.000 Fotos endlich auf eine externe Festplatte zu befördern. 4 Terrabyte. Ein eigenes Paralleluniversum mit genug Platz für 1001 Sonnenuntergänge.
War ich 2019 überhaupt mehr als 3 Tage am Stück zu Hause?
Ich habe mich außerdem von dutzenden Newslettern befreit.
Ich habe mein Instagram geschrumpft, Facebook-Gruppen verlassen und überflüssige Apps gelöscht. Und ganz tief ausgeatmet.
Eine meiner Mailboxen – die, auf der vorwiegend das Unnütze landet – ist ganz verschwunden. Es ist mir zwar unerklärlich, aber es soll wohl so sein.
Dazwischen auf die Yogamatte. Alles nur kein Yoga, aber täglich. Schütteln, hüpfen, atmen, schwitzen. Laute Musik und dazu seltsame Geräusche machen.
Neue Gewohnheiten machen Platz für tausend neue Ideen, die sich dann im Kopf einnisten. Hineinschlüpfen wie ein Einsiedlerkrebs in sein neues Haus.
Ideen, wie ich es ab jetzt anders machen könnte. Nicht besser, aber verdammt gut. Pläne machen. Manche davon haben mit dem Reisen zu tun, manchen ist der Ort egal.
Gleich allen von den neuen Visionen erzählen wollen, es aber dann doch nicht tun.
Einfach noch im Liminal Space verweilen. Weil der August überraschenderweise der beste Monat für eine Atempause ist.
Weil die Dinge noch mindestens bis in den Herbst reifen dürfen, bis sie wie ein Apfel ganz von selbst vom Baum fallen.
Die Stille, die Euphorie und auch die Zweifel aushalten. Einfach dasitzen und alles fühlen, was gefühlt werden will.
Der Drang, aus allem eine Insta-Story machen zu wollen, stirbt schneller als gedacht. Keine Stories, keine Reels. Und so viel mehr Zeit, die bleibt.
Nicht mehr nach fremden Regeln funktionieren. Nichts mehr kaufen, was kein Mensch braucht. Sich maximal mit der Person vergleichen, die man gestern war. Warten, bis sich das Leben anders anfühlt. Und es dann fühlen, ohne, dass das Gefühl gut oder schlecht sein muss.
Es könnte sein, dass du bis zum Ende gelesen hast und keine Ahnung hast, was das hier soll.
Die Chancen stehen aber gut, dass du ganz ähnliche Gedanken hast. Und mit etwas Glück fühlst du dich jetzt von mir bestätigt.
Wir sind nicht allein. Wir sind NIE allein.
Ich für meinen Teil werde jedenfalls versuchen, den restlichen August, so gut es geht, im Sein zu bleiben. Ohne mich zu sehr im Tun zu verrennen. Ich habe fest vor, alles Schwere und Komplizierte zurückzulassen. Ein Ding nach dem anderen. Und dabei keinen neuen Ballast anzuhäufen.
Ganz sicher werde ich in Zukunft weniger Zeit auf Instagram verdrödeln.
Und falls es mir gelingt, dass ich den nächsten Sonnenuntergang in Griechenland nicht fotografiere, sondern mit allen Sinnen erlebe, dann wäre ich voll und ganz mit mir zufrieden.
xo, Jeanette