Man muss den Winter nicht lieben, aber man kann ihn gut aushalten. Das ist eine meiner Einsichten, die ich dank Fußbodenheizung, Chopin und Takamaka-Rum gewonnen habe. Und manchmal ist es gar nicht schlimm, NICHT zu verreisen. Denn so hat man genug Zeit, um jauchzend Schnee in die Luft zu werfen, sich in Dankbarkeit zu wälzen und etwas Neues anzufangen.
Es gibt nicht viel, was ich mit aller Klarheit und Überzeugung über 2023 sagen kann. Außer: Der Winter ist immer noch nicht mein Ding! Zu wenig Licht, zu wenig Wärme, zu wenig Leichtigkeit. Das Übliche eben, das manche mehr und andere weniger verstehen.
Doch keinesfalls will zum tausendsten Mal über dasselbe jammern, was man theoretisch ja auch immer ändern kann. Deshalb rücke ich gleich zu Beginn mit meinen Learnings heraus, die ich in diesem noch nicht ganz so geschmeidigen Jahr (Astrologisch gesehen wird erst 2024 wieder alles leichter!) gemacht habe.
Ich finde, wir sollten nicht erst am 1.1. damit anfangen, etwas besser oder anders zu machen. Lieber dem Ego, dem Mindset, dem Schweinehund schon mal im Dezember sanft in die Rippen boxen. Was nützt es mir, wenn ich im Dezember tonnenweise Kekse backe, Lichterketten drapiere, Adventkränze binde und mich von der Geschenkesuche in den Wahnsinn treiben lasse, nur um dann im Januar in das starre, schwarze Loch der guten Vorsätze zu fallen?
Ich arbeite lieber schon jetzt daran, etwas zu verändern.
Zum Beispiel: die guten Seiten des Winters zu sehen. Er hat auch mindestens eine: Er bringt mich zum Beispiel zum Nachdenken. Noch mehr als der Sommer.
Wie keine andere Jahreszeit, lässt mich der Winter in den dunklen Nischen meines Seins nach dem Wesentlichem suchen.
Dafür mag ich ihn.
LEARNING #01: Zuhause ist dort, wo es schön warm sind.
Mit warmen Zehen ist es gar nicht so schwer, den Winter zu lieben. Und ist so eine Fußbodenheizung nicht die beste Erfindung der Welt? Genau das kommt mir in den Sinn, während ich das hier schreibe.
Ich erinnere mich an einen Winter in Mallorca. Um mich aufzuwärmen, blieb mir damals nichts anderes übrig, als ein heißes Bad zu nehmen. Und auch nur dann, wenn der Boiler es wollte. Die Klimaanlage alleine konnte nämlich nicht verhindern, dass mir die feuchte Kälte durch alle Knochen zog. Nicht mal Minusgrade, aber trotzdem unerträglich. Ich weiß ehrlich nicht, wie George Sand den nassen Winter 1938 in Valldemossa ausgehalten hat. Noch dazu mit dem kränkelnden Chopin.
LEARNING #02: Selbst die größte Tristesse geht irgendwann vorbei.
Es ist ja nicht so, dass Winter gekommen ist, um auf ewig zu bleiben. Man kann sich eigentlich jetzt schon auf die Amseln im Frühling freuen. So wie der Himmel nicht immer strahlend blau ist, bleibt er ja auch nicht immer nur trüb. Ja, die Tage sind zwar jetzt kürzer als die Zwirnreste, die meine Oma in alter Kriegsmanier in der Schublade aufgehoben hat, aber irgendwann ist genug. Kürzer als kurz geht ja nicht mehr. Und es kommt unweigerlich der Moment, wo das Kurze wieder länger wird. Zumindest in der Natur.
So ein Dezember-Tag ist um kurz nach Vier eigentlich schon gelaufen. Also dann, wenn man Biorhythmus eigentlich erst langsam in Partystimmung kommt. Doch auch das geht vorbei, weil sich – hurra – am 21. Dezember die Regeln wieder ändern. Zu wissen, dass nichts so bleibt, wie es gerade ist, hat durchaus etwas Befreiendes!
LEARNING #03: In der Ferne ist nicht alles besser.
Auch wenn wir es ungern zugeben, können wir Reisenden es nicht leugnen: Selbst unter den schönsten Palmen oder am weißesten Sandstrand kann sich ein eigenartiges Gefühl anschleichen, das von innen anklopft und nach dem Sinn des Lebens fragt. Ziemlich blöd, wenn man sich da nichts Plausibles zurechtgelegt hat.
Auch kann diese eine Sorge am anderen Ende der Welt wie Nessie aus dem schönsten Infinity-Pool auftauchen, obwohl man sich so sicher war, alles Lästige zusammen mit Mütze und Wollschal absichtlich zu Hause liegengelassen zu haben.
Vielleicht sollte man wichtige Lebensfragen schon vor der Abreise nach Thailand, Bali oder Mexiko in heimeliger Gemütlichkeit bei einem Glühwein vor dem knisternden Kaminfeuer abklären. Nur so eine Idee…
LEARNING #04: Winter ist nur ein Wort mit 6 Buchstaben.
Ich weiß, ich muss hier endlich mal das Drama rausnehmen und jede Jahreszeit so nehmen, wie sie ist. Einfach atmen und lächeln, sobald mir jemand erklärt, er oder sie könnte ohne die herabfallenden Blätter im Herbst nicht leben. Einfach ruhig bleiben, wenn sich die Person (die meistens eine Frau ist) wie ein Schneehase freut, weil der Cost per Wear für den teuren Wintermantel Mitte Dezember schon im Cent-Bereich liegt. Ich persönlich investiere ja lieber in Sommerkleider. Aber egal, no Drama. Ob Sommer oder Winter – ES IST NUR EIN WORT. ES IST NUR EINE VON 4 JAHRESZEITEN. Das Leid beginnt erst, wenn wir das eine wegschieben wollen und das andere herbeisehnen. Buddha muss es ja wohl wissen.
LEARNING #05: Ein bisschen Gut findet sich immer.
Man muss fairerweise sagen: Den Winter gibt es auch in schön! Es gibt Tage, an welchen ich in einem Wonderland herumstehe, die klare Luft einatme, die Stille spüre und jauchzend Schnee in die Luft werfe. Und ich möchte mich in Dankbarkeit wälzen, weil ich das erleben darf. Einfach so. Ohne Aufwand. Weil ich dort wohne, wo kitschige Winterkulissen zum Alltag gehören. So wie kürzlich im Winterstellgut im Lammertal. Die Haflinger hätten nicht hübscher sein können. Die Menschen nicht freundlicher, das Essen nicht köstlicher und das Gefühl nicht wohliger.
Es ist ja erwiesenermaßen so: Würde man niemals Kälte und Dunkelheit erfahren, könnte man die Sonne und ihre Wärme nur halb so innig lieben.
Aus dem Miesen lässt sich also immer etwas Gutes herausklauben. Selbst im halbleeren Glas ist ja letztendlich zumindest mehr drin als gar nichts.
Und wenn Albert Camus nicht ganz verkehrt lag, wohnt in jedem Winter ein unbesiegbarer Sommer. Und mit etwas Übung findet man womöglich sogar irgendwo in Lappland etwas davon.
Vielleicht ist der Winter ja nur ein gut verkleideter Sommer?
Das Stück Heimat in der Ferne.
Die Dankbarkeit inmitten der Sehnsucht.
Die Grandezza im Selbstverständlichen.
Das Yin im Yang. Und umgekehrt.
Wer hätte gedacht, dass ich das sage, aber:
Manchmal ist es gar nicht schlimm, nicht zu verreisen.
Man muss den Winter nicht lieben, aber man kann ihn gut aushalten.
Man kann zu Hause bleiben, mit den nackten Füßen über den warmen Boden tanzen, heiße Schokolade mit Takamaka-Rum trinken und für alles dankbar sein, was man schon hat.
Den Rum habe ich noch von den Seychellen. Rum wird niemals schlecht, denke ich.
Das Gute ist, es lässt sich immer etwas verändern.
Einen alten Gedanken neu denken.
Einen kleinen, aber mutigen Schritt nach vorne gehen.
Sich an die faszinierenden Räume zwischen dem Nicht-mehr und Noch-nicht herantasten.
Was man auch noch tun könnte: die großartigsten Pläne schmieden, die wunderbarsten Reisen planen.
Etwas Bewährtes erneut auf die Beine bringen (SCHAU MAL HIER!).
Und etwas noch nie Dagewesenes aus dem Boden stampfen (UND HIER!).
Ich habe damit jedenfalls schon begonnen.
Warum auch warten, bis 2024 kommt?
Wenn man schon jetzt, am Ende des alten Jahres, völlig neu anfangen kann!
xo Jeanette
Die Geschichte ist hier offiziell zu Ende.
Du darfst aber gerne weiterlesen.
Kann ja sein, dass dir meine Learnings zu abstrakt erscheinen und du das konkrete Beispiel dazu lesen willst, das vor meinen Erkenntnissen lag.
Vielleicht gehörst du zu denen, die sich den Weihnachtsklassiker „Love Actually“ bzw. ‚Tatsächlich…Liebe‘ vor hundert Jahren als DVD gekauft haben und sich – so wie ich – irgendwann mal all die rausgeschnittenen Szenen angeschaut haben, die fast so lange dauern, wie der eigentliche Film. Doch erst mit den Outtakes versteht man die Tiefe, die dieser Film eigentlich hat.
Also, wenn du wirklich tiefer gehen willst, dann geht’s hier für dich weiter…
Du wirst es nicht glauben: Ich habe meine letzte Reise abgesagt!
Ich wollte im Dezember eigentlich wieder an den Atlantik fahren.
Ich habe alles gecancelt. Irgendwie schweren Herzens. Irgendwie auch nicht.
Weil ich weiß, dass der Dezember nicht der gemütlichste Monat des Jahres ist. Dass die Nächte in Portugal kalt sein können und nur die wenigsten Häuser Fußbodenheizung haben. Und da die Flüge noch dazu teuer und umständlich waren, wollte ich weder Geld- noch Zeit-Ressourcen zu verschleudern.
Es wäre doch gelacht, wenn ich den Winter nicht irgendwie aushalten könnte.
Zirbenholzstuben und Schneelandschaften. Glühwein und Vanillekipferl.
So schwer kann das doch nicht sein.
Oft trifft die Intuition eine Entscheidung, die der Verstand erst später bestätigen kann.
In meinem Fall an einem Tag, an dem schon morgens um 6.50 Uhr einiges schiefging.
Kurz nachdem ich aus der Tiefgarage fuhr, bekam der Mini eine urplötzliche Winterdepression.
Es war noch dunkel, ich hatte maximal 6 Stunden geschlafen, am anderen Ende der Stadt warteten Menschen auf mich, um mit mir Yoga zu machen.
Ich wollte heulen, überließ das aber dann doch dem strömenden Regen, der sich noch nicht zum Schnee entschließen konnte.
Das Leben ist schön, nur manchmal ein Biest.
Doch dann überrollte mich eine Welle der Dankbarkeit. Ich weiß auch nicht wieso. Ich erfreute mich daran, dass ich ein Auto hatte, mit dem ich prinzipiell auch fahren kann. Dass dieses Auto mit einer Sitzheizung und einer Heizung für die Windschutzscheibe ausgestattet ist, die ich nie brauche, weil der Mini nie im Schnee, sondern auf seinem Tiefgaragenplatz parkt.
Die Freude ging weiter: Weil im Auto tatsächlich ein Regenschirm lag. Und der Bus wie meine persönliche (Stretch)-Limousine ohne Wartezeit in die Haltestelle einfuhr. Und dann nahm mich der Busfahrer sogar noch gratis mit, weil ich weder ein Ticket noch Kleingeld hatte.
Ich war nur 10 Minuten zu spät auf der Yogamatte. Und niemanden hat es gestört, weil ausgerechnet heute alle anderen auch später dran waren.
Ich hätte mich ärgern können, weil fast mein ganzer Tag dafür drauf ging, um zu telefonieren – abwechselnd mit der Versicherung, dem Autohaus, dem Abschleppdienst und der Firma, deren Parkplatz ich seit morgens um 7 mit meinem fahruntüchtigen Auto belegte.
Und ja, ich hätte mich später über die Rechnung vom Autohaus ärgern können, die so hoch wie ein Monatsgehalt war (Ok, ich habe wirklich kurz gejammert!).
In Wahrheit habe ich aber beschlossen, dass ich mich an den letzten Tagen des Jahres über gar nichts mehr ärgern will. Dass ich meinen Fokus ausschließlich auf das Gute lenke. Dass ich jetzt schon die Vibes kreiere, die ich 2024 haben will.
Wie gut, dass ich die Reise nach Portugal nicht gemacht habe. Denn so musste konnte ich dem Mini vier chice, griffige Winterreifen, eine nagelneue Drosselklappe und ein Facial von seiner Lieblingsfachwerkstätte zu Weihnachten schenken.
Und immer, wenn meine Laune sinkt, sage ich mir: Es ist nur ein Wort mit 6 Buchstaben.
Und: Wozu das Drama? Auch das geht vorbei!
Und: Am 21.12. werden die Tage wieder länger.
Und: Ich kann heute alles verändern. Ich kann heute etwas Neues anfangen.
Und dann tanze ich barfuß auf dem warmen Holzboden zu Chopin, gieße Rum in meinen Kakao und plane von meinem gemütlichen Sofa schon mal meine nächsten Reisen…
Ich wünsch dir wunderbare Weihnachten & ein verdammt gutes, neues Jahr!
xo Jeanette
Vielen Dank dir, liebe Jeanette, für die inspirierenden Zeilen. Ich finde das sehr schön, schon jetzt zu überlegen, was 2024 bringen darf. Wofür es für mich steht. Durch dein Anstupsen lag mein Wort 2024 plötzlich vor mir. Und als ich es wahrnahm, konnte ich nur lächeln. Denn JA, so soll es sein.
Ich wünsche dir ein gemütliches Weihnachtsfest voller Glitzermomente. Und für das neue Jahr: Yoga, Reisen und viele außergewöhnliche Schreibmomente. Im besten Sinn. Alles Liebe, Steffanie