Zu leben bedeutet nicht, zu existieren oder zu funktionieren. Es bedeutet aber auch nicht, nur Spaß zu haben. Möglicherweise bedeutet es, aus der Puste zu kommen, Risiken einzugehen, mutig durch Höhen und Tiefen zu navigieren und sich in alles, was da kommt, mit voller Wucht hineinzulehnen.
DIE PASSENDEN VIBES ZUM TEXT:
Sofern man kann, sollte man es tun. Und irgendwie kann man immer.
Die ein oder andere Sache anders machen.
Ein altes Konzept über Board werfen.
Sich selbst überraschen.
Das geht. Wirklich!
Man könnte so tun, als wäre der Montag ein Sonntag. Weil der Sonntag ohnehin nicht so berauschend war. Und weil montags die Sonne schon übermütig ist, dass sie einem gar keine andere Wahl lässt, als die Dinge zu überdenken.
Wobei…das mit dem Denken kann man sich eigentlich sparen. Lieber hineinfühlen in den Tag und die Macht erkennen, die man über den Verlauf der nächsten Stunden hat.
Ich habe morgens noch Mails beantwortet, bin hinüber zum Bäcker gegangen, hab den ersten Espresso durch die Maschine gejagt, wie ich es an Wochentagen üblicherweise tue.
Dann kam noch ein Telefongespräch dazwischen. Wobei…so kann man es nicht sagen, denn es war nicht unbeteiligt an dem, was sich später noch ergeben sollte.
Ja, da war diese Stimme, die diesen neuen, anderen Plan nicht gut fand: ‘Einfach so an den See fahren? Es ist Montag! Es gibt doch Dinge zu tun und zu erledigen. Irgendwas gibt es schließlich immer zu tun.’
Wann immer so eine Stimme auftaucht: Man kann sie ignorieren. Das geht. Wirklich! Es passiert gar nichts Schlimmes!
Außerdem war sie schon zu spüren, diese Wärme in der Luft, die sich zu einer unerträglichen Hitze ausweiten würde.
‚Das wird doch heute sowieso nichts‘, sagte die andere Stimme. ‚Du würdest sowieso nur den ganzen Tag am Schreibtisch sitzen, ohne wirklich produktiv gewesen zu sein. Und dann ärgerst du dich, weil du es NICHT getan hast. Ich kenn dich doch!‘
Je leiser und zurückhaltender diese zweite Stimme ist, umso ernster sollte man sie nehmen. Denn sie hat mit großer Wahrscheinlichkeit Recht.
Es braucht nicht viel. Einen Bikini, ein Handtuch, eine Trinkflasche vielleicht. Alles andere ergibt sich.
Nicht nachdenken, einfach mit selbstsicherer Leichtigkeit das Steuer in die Hand nehmen. Das Steuer des Autos und das des eigenen Lebens.
Man hat es immer selbst in der Hand.
Was man tut oder nicht tut.
Wie man sich fühlt oder nicht fühlt.
Wie man lebt – oder eben nicht lebt.
In einer Welt, die einen verdammt fordert. So wie sie eben ist. Oder was aus ihr geworden ist. Es ist nicht alles schlecht. Doch alles zusammen ist schnell zu viel.
Die Europameisterschaft.
Trump.
Und dann noch Shannen Doherty.
Vielleicht war sie sogar der Grund, dass ich im Auto saß und montags an den See fuhr. Einfach so. Weil das Leben kurz ist. Hab‘ ich schon mal gesagt, ich weiß.
Ich erinnere mich noch an Beverly Hills 90210. Mein Vater montierte die SAT-Schüssel auf dem Dach und völlig neue Welten taten sich auf. Ich war dabei, als Cindy Crawford im dunkelblauen Taftkleid ‚House of Style‘ moderierte. Und ich beneidete Brenda & Brendon, die immer schönes Wetter hatten, noch vor der Schule joggen gingen und coole Parties in den Villen fremder Eltern feierten.
Ich habe mich jahrzehntelang beim Universum beschwert, weil ich so nah am Eisernen Vorhang aufwachsen musste – und so weit weg von Malibu Beach.
Brenda aka Shannon Doherty ist gerade an Krebs gestorben. Sie war kaum älter als ich. Mein Leben ist viel besser als ich das im Jahr 1990 angenommen hatte.
Und solange man ein Leben hat, solange sollte man es auch leben. Zu leben bedeutet nicht, zu funktionieren oder zu existieren. Zu leben bedeutet auch nicht, nur Spaß zu haben.
Möglicherweise bedeutet es, aus der Puste zu kommen.
Risiken einzugehen.
Mutig durch Höhen und Tiefen zu navigieren.
Und sich in alles, was da kommt, mit voller Wucht hineinzulehnen.
20 Minuten später war ich da. Die Stimme, die gemeint hat, man solle lieber arbeiten als sich vergnügen, war bereits leiser geworden. Vielleicht war sie einfach nur erschöpft. Sie brauchte sowieso eine Pause.
Ich war nicht die Einzige, die diese Idee vom See hatte. Es ist schließlich Sommer. Macht nichts. Wie in Trance nahm ich das Board und legte es auf das Wasser. Ein vertrautes Geräusch, das sich zwischen quietschvergnügten Kindern verflüchtigte. Ich nahm das Paddel und bewegte mich langsam weg vom Getümmel, erst kniend, dann stehend. Um mich herum wurde es mit jedem Meter leiser.
Alles gehörte mir. Dieses Leben, der See – und der Tag, dem es jetzt völlig egal war, dass er den Ruf hat, der mieseste aller Tage zu sein.
Man sollte die Qualität der Montage danach messen, wie oft man jauchzend ins Wasser gehüpft ist.
Wie sehr man das kühle Wasser auf der Haut genossen hat, während man die Libellen zwischen Sonnenstrahlen zählt.
Wie lange man einfach nur auf der Oberfläche dahingleiten kann, ohne etwas zu tun oder zu denken.
Und wie gut man darin ist, das subtile Plätschern mit dem ultimativen Sommergefühl zu potenzieren.
Ich wollte eigentlich nach ein oder zwei Stunden wieder zurückfahren. Vielleicht doch noch das Liegengebliebene erledigen. Die Buchhaltung hatte ich in Gedanken längst in eine andere Dimension verschoben. Leben ist jetzt. Buchhaltung später.
Es kamen mir beim Schwimmen noch ein paar Dinge in die Quere. Die Stengel von Seerosengewächsen zum Beispiel, die mich sofort wieder an den Spruch „No mud, no lotus“ erinnerten. Ich versuchte, an den dünnen Stengeln zu ziehen, um dieser Behauptung buchstäblich auf den Grund zu gehen. Nichts bewegte sich. Sie waren wohl tatsächlich zwei oder drei Meter tiefer fest im Schlamm verankert. Zwischen den herzförmigen Blättern und der Oberfläche des Wassers gab es keinen Spielraum.
Die Natur verausgabt sich nicht. Warum sollte der Stengel auch weiterwachsen, wenn die Blätter ihr Ziel erreicht haben?
Ich hatte mein Ziel an diesem Montag ebenfalls erreicht.
Und bin trotzdem noch bis zum Sonnenuntergang geblieben. Ich hatte es nicht vor, aber wenn kümmert das schon, wenn alles so ein wunderbares Ende nimmt. Ein orangefarbener Himmel und gute Gespräche, über die sich die Beschaulichkeit eines perfekten Sommertages legte.
Ein Montag am See.
Nichts, das man hinterfragen oder bereuen müsste.
Und ist ein Leben nicht umso gehaltvoller, je weniger man bereut?
xo, Jeanette
Noch eine Erinnerung, damit auch du nichts bereust:
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PS: Danach lässt es sich dort übrigens noch herrlich in den See springen!
Liebe Jeanette, genau DAS wollte ich heute lesen. Ein wunderbarer Text, der mich sehr berührt. Und genau so ist es - das Ruder selbst in die Hand nehmen. Und wunderbar :-))), dass du bis zum Sonnenuntergang geblieben bist ......... es sind immer diese Momente ..... wo die Freude HALLO sagt!
Bis Freitag..... Karin